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Sonntag, 28. Juni 2015

Warum Paleo Bullshit ist! (heute aus der Perspektive der genetischen Epidemiologie)



Heute mal wieder ein neuer Beitrag aus der Reihe: "Warum Paleo Bullshit ist". Und das selbe gilt für Rohkost. Dazu kommen wir aber später.

Immer wenn ich solche Artikel schreibe, denke ich zurück an mein erstes Semester, wo ich, weil ich einen Wahlpflichtkurs Terminologie gewählt hatte, der mangels Teilnehmerzahl aber nicht zustande kam, quasi gezwungenermaßen einen Kurs außerhalb der Medizinischen Fakultät belegen musst, mit Studenten anderer Fakultäten der sich "Philosophie in der Wissenschaft" nannte. Das war mit das erleuchtendste, was mir je widerfahren ist, denn es stellte mir das "Wissenschaftliche Paradigma" vor. Ein Weltbild quasi. Um das zu  erklären nehme ich mal das mittelalterliche Paradigma von "Die Erde wird von der Sonne umkreist". Wenn man das zugrunde legt, sind gewisse andere wissenschaftliche Rückschlüsse nicht möglich. Wenn aber dann jemand raus findet, dass tatsächlich die Erde um die Sonne kreist, kann man plötzlich plausible die Laufbahn von anderen Planeten bestimmen.

Manchmal werden Studien veröffentlicht, die angesichts des geltenden Paradigmas nicht plausibel erscheinen. Vielleicht ist da das Paradigma noch nicht genau dargelegt oder es gibt einen Fehler in der Studie. Je nachdem wie das Studiendesign gelagert ist, gibt es auch immer mal wieder andere Einflussfaktoren als den, den man versucht zu untersuchen. Und so muss man dann irgendwie versuchen Paradigma und Studienergebnis übereinander zu bringen.

Und Paleo, oder auch LowCarb, genau so wenig wie Rohkost, passt nicht in das derzeit geltende Paradigma, womit ich nicht sagen will, dass sich das nicht irgendwann ändern könnte, genau wie das Sonnensystem. Biochemisch wissen wir, dass die Lieblingsnahrung aller Zellen Glucose ist und dass Ketose der Hungerstoffwechsel ist. Wir wissen, dass Fett die Muskel- und Fettzellen insulinresistent macht, wir wissen, dass jedes Insulinmolekül eine Halbwertzeit von 5 Minuten hat, wir wissen aber auch, dass Weißmehl und Zucker so schnell ins Blut geht, dass es Insulinspikes verursacht und einen daraufhin zu stark abfallenden Blutzuckerspiegel. Deshalb sind die geltenden Empfehlungen für Diabetiker möglichst vollwertig zu essen, möglichst fettarm und mit viel Gemüse. Man kann das so weit treiben wie Barnard das in Dr. Neal Barnard's Program for Reversing Diabetes: The Scientifically Proven System for Reversing Diabetes Without Drugs macht oder es so weit wie möglich umsetzen, wie es die Leitlinien empfehlen, die auch fettarme tierische Produkte erlauben und, weil es mit der Gesellschaft so schwer ist, ein kleines bisschen Industriezucker. Wissenschaftlich ist aber klar, dass das die beste Ernährung für Diabetiker ist. Bis man was noch besseres findet....vielleicht...

Es gibt da aber nicht nur biochemische Paradigmen oder physiologische Paradigmen zu denen Studienergebnisse passen müssen, sondern auch noch andere
wissenschaftliche Disziplinen wie die genetische Epidemiologie zum Beispiel.

So hat ein Professor für genetische Epidemiologie einen Artikel für I fucking love Science geschrieben, in welchem er auf genetischer Basis erklärt warum Paleo Blödsinn ist. Ähnlich wie ich, kommt auch I fucking love Science alle paar Monate mit einem neuen Artikel raus, warum Paleo Bullshit ist, weil die Szene ähnlich wie die Rohkostszene, immer wieder auf neue Individuen übergreift nur damit auch die dann auch irgendwan raus finden, dass das ganze Bullshit ist. Wenn ich Leuten erzähle, dass Rohkost Bullshit ist, sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus perönlicher Hinsicht, wollen die das auch nicht glauben, sondern es weiter machen...bis sie dann scheitern. I fucking love Science kämpft auch immer vehement gegen Pseudowissenschaft. Es gibt sogar, so sahen wir gestern, Masters of Science, die der Pseudowissenschaft um Paleo anheim fallen. Weil manche Studien in sich plausibel sind und die Ernährung sogar bessere Resultate liefert als 08/15-westliche Kost, aber das macht sie nicht zur besten Ernährung für Menschen. Und es besagt auch nicht dass die pseudowissenschaftlichen Gründe für Paleo mit der wirklichen Wissenschaft deckungsgleich sind.

Aber gut, die Belege, die Tim Spector, der Autor des Artikels verlegt sind Untersuchungen bezüglich der Gene von 101 europäischen Skeleten aus dem Bronze-Zeitalter, also 2200 bis 800 v. Ch. Es ging um das Gen, welches erwachsenen Menschen erlaubt Lactose zu verstoffwechseln. In der Bronzezeit hatte dieses Gen nur jeder 20., also 5% der Bevölkerung, heutzutage in Europa sind es zwischen 50% im Süden und 90% im Norden, die nicht laktoseintolerant sind. Das belegt, dass selbst innerhalb von nur wenigen Generationen und nur 2000-3000 Jahren immense genetische Anpassungen passieren können und wir nicht etwa für immer so essen müssen, wie in der Steinzeit.

Ebenso interessant, wenn nicht sogar noch interessantet, schein das Amylase Gen zu sein, ein Gen, was es einem ermöglicht Stärke zu verdauen, weil es für das Enzym Amylase kodiert. Menschen in Gegenden, die historisch viel Stärke verzehrt haben, haben mehr Gene davon vorliegen. Also Chinesen z.B. mehr als Inuit (die dafür eine Mutation bzgl. Cholesterin aufweisen). Eine Zwillingsstudie in der Zeitschritft Nature veröffentlich, hat sogar gezeigt, dass Menschen, die mehr von diesen Amylase Genen haben, weniger zu Übergewicht neigen. (Wo ich mich jetzt frage: Sind die dünner, weil die mehr Stärke essen oder essen die mehr Stärke, weil sie genetisch dafür ausgerichtet sind?!) Bestätigt aber scheinbar die Theorie "Stärke macht schlang" was auch biochemisch logisch wäre - es sei denn man gehört einer Rasse an, die in den letzten paar tausend Jahren nicht viel Stärke aß.

Aber nicht nur wir haben Gene, sondern auch unsere Milliarden Darmbakterien weisen ca. 2 Meter Gene auf, und leben weniger lange als wir und tauschen ihre Gene sogar so untereinander aus, wie wir Menschen,,,sagen wir....Geld. Cool, oder? Sie produzieren eine neue Generation Bakterien alle 30 Minuten und sind damit verdammt schnell in der Lage sich einer veränderten Ernährung anzupassen. (Aber erstmal spielen sie natürlich verrückt, wenn jemand von Weißmehl auf Vollkorn umstellt - paar Tage aushalten, dann ists gut)

Also, wir müssen absolut nicht so essen wie vor 100 000 Jahren, weil wir uns binne weniger tausend Jahre an neue Ernährung anpassen. 200 Jahre Insustrielle Revolution und 50 Jahre McDonalds reicht aber noch nicht aus, dass wir uns daran angepasst haben, deshalb haben wir wohl noch mindestens 1500 Jahre mit Zivilisationskrankheiten zu kämpfen.

Und natürlich belegt das auch den Irrsinn der ganzen Rohkosttheorie, denn die behauptet ja, wir hätten und in den letzten 500 000 - 1 Mio. Jahren nicht an gekochtes Essen angepasst. UND wir könnten keine denaturierten Proteine verdauen. Wenn Rohkost einen positiven Effekt ausübt, dann nicht deshalb, denn das passt nicht ins Paradigma, dann muss es andere Gründe dafür geben, z.B. sekundäre Pflanzenstoffe oder Vitamine.

Naja, und was die Fähigkeit Milchprodukte und glutenhaltiges Getreide zu Verdauen im Endeffekt für unsere Belohnungssystem hat, welches dann auf Opioide und Kasomorphine reagieren kann, steht dann wiederum auf einem völlig anderen Blatt.;-)

Menü des Tages am 27. Juni 2015

1 Gurke, 1/2 gelbe Paprika


Mochi Reis mit Banane, Zimt, Sunwarrior, Traubenkernmehl, Birne


1 Aprikose
1 Birne

Linsen, Reisnudeln mit Wakame, Blumenkohl, Frühlingszwiebeln, Meeressalat und Salz


2 Bananen

Bulgur aus Buchweizen, Eisbergsalat, Frühlingszwiebeln, Linsen, Salz


1 Birne

1 Kartoffel

Ein Video habe ich gestern auch noch gedreht:



Und heute steht was an, das ich noch nie gemacht habe. In Köln steht ein High Carb Treffen an. Ihr wisst, ich hab tierische Probleme mit dem Begriff  "High Carb" weil das absolut nichts über die Qualität der Kohlenhydrate aussagt, genau so wenig wie LowCarb irgendwas über die Qualität des restlichen Essens aussagt. Deshalb nenne ich meine Ernährung auch fettarm, vollwertig, pflanzlich. (und es fängt quasi alles mit "F" an und ist somit eine Alliteration;-) - Fast alles, was da mitgebracht wir, wird genau so wenig challengetauglich sein, wie alles was es in Restaurants gibt, daher ist High Carb genau so idiotisch wie Rohkost oder Paleo.

Man kann halt nicht einfach unreflektiert irgendeiner Ideologie anhängen...Leider machen das zu viele. Und leider habe ich es immer noch nicht geschafft mich nicht darüber aufzuregen, wenn ich diesen Leuten im Internet begegnet. Es gibt nichts wichtigeres im Leben als fundierte Bildung! - Sonst wird man nach Strich und Faden verarscht...

Alles Liebe,

Silke

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