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Montag, 1. Mai 2017

Die FAZ über den Vitamin D-Wahn




Siri hat mir gestern einen tollen Artikel präsentiert, welcher soeben in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht wurde. Also, weder ein medizinisches Journal, noch FakeNews.

Dieser beschäftigt sich mit dem Thema Vitamin D und ich war sehr dankbar dafür, dass das endlich mal von einem großen Medium aufgegriffen wurde. Es ist nämlich sehr anstrengend sich ewig mit den selben Ammenmärchen auseinander zu setzen, obwohl ich nicht glaube, dass das jemals aufhört... Zumindest nicht, so lange Laien im Internet sukzessive Blödsinn erzählen, und andere Laien das glauben. Ich meine, klar, manchmal hat man auch Diskussionen mit anderen Medizinern, aber da wird viel offener diskutiert. Niemand wirft mit Dogmen um sich und man lässt sich auf wissenschaftliche Gegenbeweise ein. Und dann kann man sich auch noch darüber streiten, wo die Studie vielleicht Schwächen hat und darüber, was die beste Lösung des Problems ist. Aber diese Diskussionen sind lange nicht so anstrengend und unproduktiv wie die mit Laien.

Ich habe das Gefühl der Vitamin D-Supplementierungs-Wahn wird vor allem von Rohe Energie auf YouTube unterstützt und gefördert. Vielleicht sogar erfunden. Mit 50 000 Abonnenten sind Lars und Alexandra neben Vegan Power Girl, so weit ich weiß, der größte Kanal, der sich mit veganer Ernährung beschäftigt. Und wie bei vielen anderen Kanälen auch, wird hier alle Nase lang Bullshit verbreitet, also Sachverhalte geschildert, die biochemisch oder physiologisch einfach nicht stimmen, und unter anderem dazu geraten hochdosiertes Vitamin D einzunehmen. Und wenn Leute, diesen Ratschlag ablehnen, wird sich auch noch mega darüber aufgeregt.

Die FAZ ist da um einiges näher an dem Thema, obwohl sie leider keine Studien verlinkt, wie Medizinjournale das tun.

Eingangs erwähnt der Artikel selbstredend, dass Krankheiten, die durch Vitamin D-Mangel entstehen, selbstverständlich ernst sind. Also vor allem Osteomalazie und Rachitis beim Kind. Allerdings sind beides heutzutage ausgesprochen seltene Erkrankungen. Ich hab noch nie einen Patienten mit Osteomalazie getroffen, wenn dann mit Osteoporose, und es liegen für Deutschland noch nicht mal Zahlen für die Prävalenz vor.

Dennoch wird vor allem im Internet verbreitet, dass alle Menschen in hohen Dosen Vitamin D supplementieren sollte, egal ob krank oder gesund, und dass Vitamin D ein Wundermittel ist, das quasi alles heilt. Dafür gibt es aber absolut keine Beweise und schon lange nicht dafür, dass Vitamin D aus Pillen das überhaupt kann. Aber dazu später.

Zunächst wird ein Typ namens Rafael Frenk erwähnt, der wie Website "Vitamin-d-Portal betreibt. Wenn man ihn und Vitamin D googelt, findet man einzig den Artikel aus der FAZ. Man kann nichts über seinen beruflichen Werdegang oder seine Ausbildung in Erfahrung bringen. Es gibt auch keine "Über mich" Seite auf seiner Homepage. Allerdings kann man da einen Test machen, ob man unter Vitamin D Mangel leidet, und das Ergebnis ist immer so, dass man mindestens ein Risiko für einen Vitamin D-Mangel hat. Also Abzocke. Und dann kann man Vitamin D-Supplemente bei ihm kaufen. Das ist so die typische Herangehensweise von Laien im Internet.

Und das, obwohl es keine Studie gäbe, die belegen könne, dass die Einnahme von Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel irgendeinen Vorteil hätte.

Ich habe "Vitamin D supplementation meta analysis 2016" gegoogelt, weil der Artikel keine Quellen verlinkt. Dabei fand ich leider keine Metaanalyse, die sich mit Vitamin D Supplementation beschäftigt und diverse Krankheitsbilder bespricht, ich fand aber eine Studie in der Vitamin D-Supplementation nicht die Funktion der Arterien von Herz-Kreislauf-Kranken verbesserte, dafür aber eine welche zeigte, dass Vitamin D Gabe Atemwegsinfekte verhindern konnte.

Der Artikel erwähnt dann den Chefarzt der Medizinischen Hochschule in Hannover und die deutsche Leitlinie zur Therapie mit Vitamin D. Diese ist nur indiziert bei Osteoporose oder wenn man hochdosierte Glucocorticoide, z.B. Cortison bekommt, welche zu Osteoporose führen. Und die Leitlinie ist natürlich erstellt aufgrund aller Studiendaten, die man zusammengetragen und ausgewertet hat. Und das ist auch der Grund, warum die Krankenkasse eine Vitamin D Untersuchung und Verschreibung nicht zahlt. Es gibt nicht genug Beweise, dass das Geld gut eingesetzt ist. Bei Cholesterin und Blutzucker ist das anders. - Wir können einfach nicht jeden Scheiß diagnostisch angehen, wenn nicht belegt ist, dass die Ausgaben dafür zu späteren Einsparungen führen. Wir können auch nicht bei jedem Menschen ein CT oder noch besser ein MRT machen (weniger Strahlung) nur weil vereinzelt ein Mensch evt. ein Bauchaortenaneurysma hat. Das ist zwar schade aber eben nicht plausibel.

Erschwerend kommt aber auch hinzu dass, weil die Krankenkassen Vitamin D nicht bezahlen, der alternative Markt boomt. Und Nahrungsergänzungsmittel werden nicht durch offizielle Behörden geprüft. Viele sind sehr hoch dosiert und welche Nebenwirkungen daraus resultieren mögen, vor allem deshalb weil Vitamin D kein Vitamin sondern ein Hormon ist, weiß man noch gar nicht. Nach vom Bundesinstitut für Risikobewertung ausgewerteten Studien gäbe es nur eine Gruppe in der Bevölkerung, deren Vitamin-Spiegel mehrheitlich deutlich zu niedrig sei: Senioren, die in Pflegeheimen leben und so gut wie nie in der Sonne sind

Es sind aber nicht alte Leute aus Pflegeheimen, die beim Hausarzt sitzen und einen Vitamin D-Test verlangen, sondern ihr.;-) Junge gesunde und gesundheitsbewusste Menschen,...die wahrscheinlich YouTube gucken und beim Zentrum der Gesundheit lesen. Und wenn da die Laien erzählen, dass alle hochdosiertes Vitamin D nehmen sollten, dann wird das einfach so geglaubt.

Der Allgemeinmediziner, der hier zu Worte kommt, erzählt der FAZ, dass es keine Studie gäbe, die belegt, dass die Steigerung des Vitamin D Spiegels, etwas nützt, noch, dass es schadet, wenn der Wert unter den Richtwerten ist. Das macht die ganze Supplementation natürlich reichlich uninteressant. Zumal sie auch Nebenwirkungen haben kann, wie Nierensteine und ggf. sogar Psychosen.

Ich bin anthropologisch nicht in der Lage verstehen zu können, warum Menschen etwas einnehmen sollen, für das die Natur die perfekte Lösung gefunden hat. Je weiter wir nach Norden gewandert sind, desto heller ist unsere Haut geworden, so dass mehr Vitamin D Synthese passieren kann. Es gäbe uns doch gar nicht in Mitteleuropa oder noch weiter nördlich des Äquators, wenn wir die letzten 500000 Jahre kein Vitamin D synthetisiert hätten. - Mit B12 ist das was andere. B12 muss man einnehmen, weil wir heutzutage keinen Dreck mehr essen, in welchem die Bakterien enthalten sind, die B12 bilden. Ein Wurzelgemüse, welches man vor 50000 Jahren aus der Erde zog, war nicht so hermetisch sauber, wie unsere Kartoffeln. Das selbe gilt für Wasser. Wir haben uns aber dafür entschieden alle Bakterien platt zu machen, damit wir nicht mehr an Infektionskrankheiten sterben, daher müssen wir jetzt B12 supplementieren, wenn wir vegan leben wollen. Vitamin D kann man sich aber draußen jeden Tag holen. Und es ist billiger.

Und ich bin auch nicht in der Lage zu verstehen, warum ausgerechnet die Leute, also alternative Gesundheitsleute, die sonst immer das Argument "es ist natürlicher" verwenden, beim Sonnenlicht auf die Idee kommen, dass Tabletten besser seien als das für unseren Planten seit Jahrmillionen bewährte Sonnenlicht. Da hat doch jemand jemandem das Gehirn gewaschen!

Menü des Tages am 29. April 2017 

1 Gurke


Haferflocken mit Banane, Zimt, Muskat, ½ Paranuss, 2 TL Leinsamen, Apfel


Gemüsepfanne aus Reis, schwarzen Bohnen, Mangold, Paprika, Möhren, Knoblauch und Zwiebel, Salz und Pfeffer


1 Apfel

2 Bananen


Gemüsepfanne aus Reis, schwarzen Bohnen, rote Bete, Paprika, Möhren, Zwiebel, Knoblauch, Salz und Pfeffer



Und dann wird natürlich auch immer wieder das Argument angebracht, dass Sonne, beziehungsweise UV-Strahlung das Hautkrebsrisiko erhöht. Wobei man natürlich auch hier immer wieder auf die Dosis gucken muss. Derzeit sieht es so aus, dass das Hautkrebsrisiko proportional zur Anzahl der Sonnenbrände, die man in der Kindheit hatte, steigt.

Als ich im True North war, flatterte uns eine Studie in den klinikinternen Mailverteiler. Irgendeiner der Ärzte hatte sie verschickt und ich weiß nicht mehr wer. Also, die Studie ist von März 2016 und wurde in Schweden durchgeführt bezüglich Sonnenexposition und Mortalität. Dabei zeigte sich, dass schwedische Frauen, die die Sonne mieden, ein genau so hohes Risiko hatten an Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben wie Raucher. - Und Rauchen ist wirklich richtig, richtig schädlich.

Natürlich haben die Frauen, die die Sonne mieden nicht explizit Vitamin D supplementiert und tatsächlich weiß man auch noch gar nicht, ob es das durch die Sonne synthetisierte Vitamin D ist, was die Mortalität senkt.

Ich bin jedenfalls nicht in der Lage glauben zu können, dass die Sonne für Homo Sapiens nur eine einzige Funktion hat und auch nicht dazu, dass ausgerechnet das Element, was Leben auf diesem Planeten überhaupt erst ermöglicht hat, grundsätzlich gemieden werden muss. Anthropologisch macht das einfach keinen Sinn.

Was wichtig ist ist allerdings, sich an der Sonne nicht zu verbrennen. Heißt rechtzeitig wieder in der Schatten gehen oder, wenn man einschätzen kann, dass man nicht merkt, wann der richtige Zeitpunkt ist aus der Sonne zu gehen, entsprechende Sonnenschutzcreme zu verwenden.

Alles Liebe,

Silke


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