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Sonntag, 1. September 2013

Entsetzen über das Gesundheitssystem...



Gestern früh habe ich es geschafft, meinen Fantarrinker zu überreden sich doch lieber Fanta light holen zu lassen statt herkömmliche Fanta und habe mich dann direkt selbst bereit erklärt sie zu besorgen. Ich bin also mit einem 5 € Schein hoch in die Caféteria, nur um mit Entsetzten festzustellen, dass man dort keine Fanta light kaufen kann. (Nicht, dass ich die irgendwie für gesund hielte, aber für einen Diabetiker weitaus besser als Fanta mit Zucker)

Ich war, gelinde gesagt, entsetzt! - Ein Krankenhaus, dass sich selbst bezeichnet als "hochrangig zertifizierte Spezialklinik für Diabetes, die sich zu einem der deutschlandweit größten Cardio-Diabetes Zentren mit integrierter Versorgung kardiovaskulärer Begleiterkrankungen entwickelt hat" hat keinen Fanta light in der Caféteria. - Ich fremdschäme mich!!!

Ich durfte auch gestern wieder 2 Mal Zucker messen und das ist immer eine tolle Gelegenheit mit den Patienten ins Gespräch zu kommen, weil die dann so Sachen Fragen wie: "Ja, kann der Blutzucker denn so hoch sein, von nur einem Brötchen?" Und dann kann ich das erklären und die Zusammenhänge darlegen und auf die wahre Problematik, die Insulinresistenz, bei Diabetes eingehen. Das Ende vom Lied war, dass ich einen Anschiss bekommen habe, warum das Blutzuckermessen so lange gedauert hat. Ich soll einfach nur messen und fertig. Das müsse rechtzeitig erledigt sein, sonst kämen wir in zeitlichen Verzug. Ich denke mir: Wenn ich es den Patienten nicht erkläre, wer denn dann?

Spätschicht hatte ich dann im Bioladen und obwohl das sehr anstrengend war, war das auch gut, denn ich musste den ganzen Tag nochmal reflektieren und meine ganze totale Frustration über das Gesundheitssystem, die Patienten und die Krankenhäuser. Vielleicht muss ich auch eine Karriere in der Kassenärztlichen Vereinigung oder dem Gesundheitsministerium anstreben...

Am Ende des Tages war ich überzeugt davon, dass der Bioladen besser in der Prävention und Heilung von Diabetes ist, als das Krankenhaus, denn da habe ich noch keinen Krümel Vollkorn auf den Tellern gesehen. Im Bioladen gibt es fast nur Vollkorn, auch wenn ich auch da über tierische Fette und Zucker entsetzt bin. Ich wette auch die Körnerbrötchen, die man zu Frühstück im Krankenhaus bestellen kann, wenn man will, sind nur dunkel gefärbtes Weißbrot.

Der Eindruck vom Vortag wurde heute früh an einem neuen Patienten bestätigt, der von unserem Chefarzt schon mehrere Stents bekommten hat, die sich immer wieder verschließen. Keine hat ihm jemals gesagt, warum die Stents sich verschließen. Nichts über gesättigte Fette, Cholesterin oder Plaqueablagerungen. Komisch, in der Vorlesung an der Uni hat der Chefarzt allerdings darüber gesprochen.

Völlig und total entsetzt war ich dann in der Frühstückspause, weil mein Blick auf einen Zettel fiel, der im Schwesternzimmer an der Wand hing. Da ging es um "Entlastungstage" die innerhalb der Diabetesschulung abgehalten werden, so erklärte mir eine Pflegehelferin. Das sind Obst- und Gemüsetage an welchen auf Fett und Eiweiß komplett verzichtet wird, um die Insulinresistenz zu verbessen. Das ist konkret auf 3 Tage beschränkt. Erlaubt sind vollwertige Kohlenhydrate aber keine tierischen Produkte und kein Fett. 3 Tage lang. Es ist nicht Dauerernährung gedacht!

Ich wäre fast aus den Latschen gekippt!!! Die wissen das!!! Die wissen, was Barnard weiß! Die wissen, dass ein Verzicht auf Fett und tierische Produkte die Insulinresistenz verbessert!!! Warum zum Henker machen die das dann nur 3 Tage? Es gibt Studien darüber, dass Patienten mit einer derartigen Ernährung binnen 14 Tagen ih Insulin komplett weglassen konnten. Und wenn nicht, dann zumindest gravierend reduzieren! Die meisten unserer Patienten sind länger als 14 Tage auf der Station!!! Was geht hier ab?

Die Pflegehelferin, selber Vegetarierin, meinte, es sei wahrscheinlich zu schwer die Patienten zu einer so gravierenden Ernährungsumstellung zu bewegen. Ich meinte, es sei doch eigentlich ganz einfach. Man kann ihnen die Wahl lassen. Entweder so essen oder seine Augen, Niere und Füße verlieren. Ist ja nicht so, als hätte Gott den Menschen keinen freien Willen gegeben. Aber man muss ihnen doch zumindest die Wahl lassen, zwischen den beiden Optionen zu entscheiden!

Ein anderer Patient kam auf mich zu: "Schwester, können Sie mir nicht evtl. ein bisschen richtigen Zucker besorgen, den ich dann unter meinen Joghurt rühren kann?" Der Patient  hat schon einen Großteil seines Augenlichts und seiner Füße verloren. Ich sagte, dass würde ich auf gar keinen Fall tun, Diabetes sei mein persönlicher Feind, aber ich würde ihm was viel besseres besorgen, etwas was schmeckt wie Zucker, aussieht wie Zucker, aber keinerlei Glucose enthalte. Nämlich Stevia mit Erythrit von DM. Muss ich ihm zwar extra kaufen, aber egal. Zucker- und fettfreien Kuchen mitzubringen habe ich ihm auch versprochen und ich bin auch kurz davor Fanta light zu kaufen. Wenn sonst keiner was macht, muss ich es halt machen!

Mein Menu des Tages war suboptimal. Zwischen der Frühschicht im Krankenhaus und der Spätschicht im Bioladen, hatte ich eine Stunde Zeit und habe aufgetautes Sushi gegessen. Das ging am schnellsten.

Morgens mein Blaubeer-Knuspermüsli wie immer
Frühstückspause: Bananenbrotmuffin, Brownie, Banane, Mandarine und koffeinfreien Kaffee
Mittags Sushi
Abends im Bioladen 2 Bananen mit 400 ml Sojajoghurt und Stevia

2000 kcal, Gewicht heute früh 58,9 kg. Es geht wieder runter. Das ist sehr gut.

Joggen nach einer Frühschicht macht überhaupt keinen Spaß, aber ich zwinge mich dennoch dazu. Hinzu kommt, dass ich schon wieder schlecht schlafe, wie auch letztes Jahr im Pflegepraktikum, weil ich der Reizüberflutung nicht stand halte und mein Entsetzen über das Gesundheitssystem so groß ist, dass meine Psyche das alles nicht verarbeiten kann. Eine Schwester sagte heute früh zu mir, ich dürfe das nicht so an mich ran lassen. Ich denke, genau das ist das Problem: Keiner läßt es an sich ran, und deshlb feht allen das Feuer wirklich was zu verändern. In Krankehäusern werden Patienten nur verwaltet, aber nicht geheilt. Schuld ist größtenteils der Personalmangel, aber wenn es nicht so viele Kranke gäbe, würde auch das Personal reichen.

In Deutschland gibt es 7 Mio Diabetiker. Von 80 Mio Einwohnern. Der Staat ist es definitiv nicht, der Interesse an kranken Menschen hat. Die kosten Steuergelder und die zahlen auch keine Steuergelder ein, weil sie nicht arbeiten gehen können. Bleibt die Frage, wer ist der Bösewicht: Die Ärzteschaft, die Patienten oder die Pharmaindustrie? Ich hab's noch nicht raus.

Alles Liebe,

Silke

PS: Ich hab ein schickes Flugblatt des Deutschen Diabetikerbundes aus dem Krankenhaus mitgenommen. Die schreiben darin, dass Diabetes eine Krankheit sei, die einen zeitlebens begleite. Im ganzen Flugblatt steht kein einziges Wort über Ernährung - nur über Sport! Vielleicht sind auch die der Bösewicht...

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1 Kommentar:

  1. Ich find es einfach großartig, was du leistest! Ich bin froh, dass es so engagierte Menschen wie dich gibt und bin mir sicher, dass du (noch) viel erreichen kannst. Laß´dich von dem ganzen Negativen nicht zu sehr entmutigen :-( Vielleicht hilft es, vor dem Schlafengehen noch ein bißchen zu "meditieren" oder was positives zu visualisieren? (Ich hab mir gestern den Film "The Secret" angeschaut) :-)

    LG
    Juliane

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