Newsletter

Sonntag, 25. September 2016

Dr. Joan Ifland und die Kriterien der Esssucht



Gustavo Tolosa ist Konzertpianist und irgendwie in den Genuss gekommen mit McDougall in Kontakt zu kommen und macht derzeit regelmäßig Interviews mit ihm. Er hat auch Chef AJ mehrfach interviewt und einen weiteren Schulmediziner, der bei McDougall und im True North arbeitet, Dr. Anthony Lim und jetzt hat er zusammen mit Chef AJ Dr. Joan Iffland interviewt, Autorin des Buchs Sugars and Flours: How They Make us Crazy, Sick and Fat, and What to do About It und ebenso wie Kathleen DesMaisons hat sie ihren Dr. in Addictive Nutrition gemacht.

Selbstverständlich habe ich an dieser Stelle schon mal über Joan Ifland geschrieben, aber sie ist mir irgendwie weniger sympathisch als Kathleen DesMaisons. Zunächst mal war Kathleen die erste mit einem Dr. in diesem Fach und zum anderen finde ich ihre Bücher besser. Kathleens Bücher finde ich um einiges wissenschaftliche als Sugars and Flours: How They Make us Crazy, Sick and Fat, and What to do About It, aber Joan Ifland hat sich mittlerweile ziemlich aus Kathleen DesMaisons Schatten heraus gearbeitet, weil sie auch Forschung betreibt. Sie hat eine Website namens foodaddictionintensive.com und bringt in diesem Interview so ziemlich alles vor, was man über Esssucht wissen muss. Und was mir sehr sympathisch ist, und AJ auch, dass sie sich seit kurzem auch explizit mit Veganern beschäftigt, weil sie Patienten hatte die "devistatingly sick" werden, wenn sie tierisches Eiweiß essen. Sie behauptet aber auch, dass es für Veganer schwerer sei, sich aus einer Esssucht zu befreien. Ich nehme an, AJ würde ihr widersprechen und auch Susan Peirce Thompson bietet ein sehr teures veganes Esssuchtprogram an. Die Ursprünge der Esssuchttherapie empfehlen jedoch alle reichlich fettarmes Fleisch und das ist nachweislich gesundheitlich problematisch. Und ich persönlich sehe nicht ein, warum man, wenn man schon jemandes Ernährung umstellt, Nahrungsmittel beibehalten sollte, die krank machen. Dann kann man auch gleich esssüchtig bleiben.



Joan Ifland war schon immer gegen Milchprodukte, wegen der Kasomorphine. Sie spricht sich aber auch gegen Mehl aus, mit der Begründung, dass Gluten beim Verdauungsprozess zu opioidähnlichen Molekülen wird. Das stimmt so weit. Warum aber verbietet sie jegliches Mehl? Also auch Reismehl oder Kichererbsenmehl. Sie erklärt das damit, dass Mehl zu fein gemahlen ist und schnell ins Blut geht. Das mag bei glutenfreiem Brot auch durchaus stimmen, aber nicht, wenn man zum Beispiel Reispasta mit viel Brokkoli isst. Kichererbsen haben dann auch noch einen sehr niedrigen glykämischen Index, daher macht für mich der Verzicht auf glutenfreies Mehl nicht wirklich Sinn, weshalb ich es in meiner Raus-aus-der-Lustfalle-Challenge auch erlaube.

Zwei Dinge beeindrucken mich in diesem Interview besonders. Das ist erstens die imense Empathie die sie gegenüber Esssuchtbetroffenen an den Tag legt. Es ist eine grauenvolle Erkrankung, nicht nur, weil man davon alle möglichen Zivilisationskrankheiten bekommt, sondern weil die Patienten nicht wissen was mit ihnen los ist und ihre Ärzte das auch nicht wissen. Der Arzt sagt in der Sprechstunde einfach nur: "Sie müssen abnehmen" - Aber der Patient hat das natürlich auch alles schon versucht. Mehrfach! - Natürlich will er nicht dick sein. Niemand will dick sein, denn das bedeutet ja unattraktiv zu sein . Es bedeutet gehänselt zu werden, es bedeutet sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen, es bedeutet einen schlechteren Job mit mieserer Bezahlung zu haben und irgendwann bedeutet es auch noch, dass man körperlich krank ist und dann sagt der Arzt: "Sie müssen abnehmen." Es bedeutet auch, dass Außenstehende einem unterstellen, dass man faul und disziplinlos ist. Und man ist nichts davon. Man ist süchtig. Das Belohnungssystem hat die Kontrolle übernommen.

Was mich noch beeindruckt hat ist, wie sie etwa ab Minute 13 erklärt, warum Esssucht zu 100% mit der Definition von Sucht einher geht. In Anbetracht dessen ist es absolut unverständlich, warum sich das DSM so schwer tun die Esssucht in ihren Katalog psychischer Erkrankungen aufzunehmen. Kriterien für Alkoholismus auf Esssucht übertragen sind folgende:

1. Man nimmt über einen längeren Zeitraum mehr von der Substanz zu sich, als man beabsichtigt hat - "Once you pop, you can't stop" scherzt Pringles und jeder der schon mal nur ein Stück Schokolade essen wollte und dann die ganze Tafel verputzt hat, weiß worum es hier geht.

2. Erfolglose Versuche den Konsum zu reduzieren – Jeder der schon mal an einer Diät gescheitert ist, weiß auch hier worum es geht.

3. Man verbringt viel Zeit damit die Substanz zu besorgen, zu konsumieren, sich damit zu beschäftigen etc.- darunter fällt Essen verstecken um es später alleine zu essen, alles was gemeinhin als "Orthorexie" bezeichnet wird, fixiert sein auf Essen, Kalorien zählen, Makronährstoffverhältnisse aber auch Gelüste, Heißhungerattaken etc

4. Nicht mehr in der Lage sein, seinen Verpflichtungen nachzukommen, sei es Job, Schule etc. - Das trifft, so denke ich, nicht auf so wahnsinnig viele Leute zu, denn man nimmt seine Drogennahrung ja mit an diese Orte. In der Notaufnahme stehen Kaffee und Süßigkeitenautomaten herum, damit man sogleich seine Angstgefühle tot-essen kann und sie nicht spüren brauch. Warum bietet man da keine Vollkorn-Sandwiches für den kleinen Hunger an? Die gesamte Uniklinik und auch andere Arbeitsstellen sind voll von Drogennahrung, so dass man seine Sucht auch da befriedigen kann, was ja Alkoholiker nicht können. Die werden betrunken, man riecht es und sie funktionieren nicht mehr richtig

5. Konsum der Substanz trotz zwischenmenschlicher Probleme – Hier erklärt Joan Ifland, dass es Probleme in der Partnerschaft gibt, wenn der Partner sich dafür einsetzt, dass man sein Übergewicht los wird und es zu Streitereien diesbezüglich kommt. Derartige zwischenmenschliche Probleme haben mich anfangen lassen, mich mit Esssucht auseinander zu setzen, weil ich im Krankenhaus ein Gespräch zwischen einem Arzt und der ebenfalls übergewichtigen Frau eines Diabetespatienten belauscht habe. Der Arzt sagte: "Sie können nicht immer alles auf die Ärzte schieben, sie müssen auch mal was tun" - Daraufhin erzählte die Frau aus ihrem Alltag, dass sie ihren Mann ja mahnen würde, wenn er was Falsches isst, dass er daraufhin aber ausrasten würde und sie dann in Tränen ausbricht. Woraufhin es ihm leid tut, er sich entschuldigt und dann ebenfalls anfängt zu weinen. Ich dachte: "Gott, dass ist ja die klassische Alkoholikerfamilie!" - Nur halt mir Essen...Man nennt das dann auch gerne Koabhängigkeit.

6. Aufgeben des Soziallebens und zwischenmenschlicher Beziehungen – Nahrung ist so viel unproblematischer und bequemer, um das Belohnungssystem anzuwerfen, als sich mit anderen Menschen auseinander zu setzen, sich auf die Suche nach einem Partner zu machen, am Vereinsleben teilzunehmen. Heutzutage braucht man, dank Internet und Bestelldiensten, auch nicht mehr das Haus verlassen und der Esssüchtige sitzt vor Fernseher oder Computer und bestellt sich seine Drogennahrung nach Hause

7. Selbstgefärdung: Das bezieht sich auf alle gesundheitlichen Probleme, die aus Sucht entstehen können: Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Gicht und vieles, vieles mehr. Bei Rauchern ist es der Lungenkrebs und bei Alkoholikern die Leberschädigung. Viele Menschen machen alles: Rauchen, Trinken und Essen. Joan Ifland erwähnt auch noch Essen am Steuer oder Nahrung zu sich zu nehmen, die viel zu heiß ist, weil man so gierig ist.

8. Konsum trotz besseren Wissen: Nachdem der Arzt dir gesagt hat, dass du abnehmen und deine Ernährung umstellen musst, kannst du es nicht. Ein Otto-Normalverbraucher-Problem.

9. Toleranz: Immer mehr von der Substanz zu brauchen um den selben Effekt zu erleben

10. Entzugserscheinungen: Ich habe das von so vielen Challengern gehört, die von einen auf den anderen Tag auf Zucker verzichtet haben. Sie hatten tagelang Kopfschmerzen genau wie wenn man Kaffee bleiben lässt.

Die Menschen sind natürlich unterschiedlich stark betroffen. Das ist bei allen Drogen so. Manche Leute können sie als Genussmittel gelegentlich verwenden, andere nicht. Das muss jeder für sich selbst erkennen.

Menü des Tages am 24. September 2016

Brokkoli und Tomaten



Haferflocken mit Banane, Leinsamen, Carob, Zimt und Ananas


Eintopf aus Kürbis, Möhre, Mais, Brokkolistiel, Mangold, Gewürzen und Salz


1 Banane

Buffet beim Veganen Kneipenabend im Past&Future auf essbarem Teller


Veganes Tiramisu (leider war mein Akku leer und ich konnte kein Foto machen)

Schon seit mehreren Woche bekomme ich bei Facebook Einladungen zum Veganen Kneipenabend zugeschickt und ich habe mich immer gefragt, was das soll.:-) Also, soll man mit anderen Veganern ne Kneipentour machen und Bier trinken, was ja eh vegan ist? - Nachdem mir aber jetzt mehrfach erzählt wurde, dass das wirklich sehr nett ist, bin ich gestern erstmals da gewesen und es war wirklich sehr nett. Ich kannte den ein oder anderen flüchtig, aber die, die bei mir in der Nähe saßen, überhaupt nicht und es wurde trotzdem ein wahnsinnig anregender Abend, weil eine Biologin neben mir saß, die gerade ihren Dr. macht im Bereich Humangenetik und Molekularbiologie und so wurde der Abend fast schon medizinischer als mir lieb war. Nach 1 Woche Famulatur hatte ich eigentlich mehr Lust über Veganismus als über Medizin zu reden, aber es war dennoch wahnsinnig interessant.

Im Past&Future war ich gestern zum ersten Mal und war verblüfft, dass es da die Möglichkeit gab gegen eine Spende für das Tierheim in Zollstock einen essbaren Teller zu bekommen, der aus Weizenkleie gemacht ist. Ich habe es schlussendlich nicht geschafft, den Teller komplett aufzuessen – nur leer – aber das hat meine Zero Waste Seele erfüllt!:-) Das ist das richtige statt Plastikteller für Picknicks etc. Vielleicht kann ich raus finden, wo man die kriegt. Tja, und das Tiramisu hat meine Zuckerbilanz ruiniert...Leider...

Alles Liebe,

Silke


1 Kommentar:

  1. Vegane Stammtische oder Kneipenabende sind interessanter, als sie auf den ersten Blick aussehen. Man trifft dort immer wieder neue Leute auch mit geradezu spektakulären Erfahrungen. Eine ehemalige MS Patientin berichtete seit 9 Jahren symptomfrei zu sein -nach Umstellung auf Pflanzenkost. Und sie ist damit in ihrer Selbsthilfegruppe kein Einzelfall. Auch in Betriebskantinen z.B. SAP Walldorf (einer der ganz grossen Arbeitgeber im Raum Heidelberg) ist inzwischen - auch durch die Köcheschulung von Björn Moschinski - eine veganes Angebotssegment entstanden, das sich steigender Beliebtheit erfreut.

    AntwortenLöschen