Was als schlichtes Rohkosttagebuch anfing hat sich zu einer Dokumentation über die wahrhaft gesündeste Ernährung für die Spezies Mensch entwickelt. Mein Medizinstudium ermöglicht mir seit 2011 die Zusammenhänge von Nahrung und Gesundheit wissenschaftlich zu erkennen sowie Studien objektiv zu beurteilen. Klar ist: Die optimale Ernährung für die Spezies Mensch ist vollwertig und weitestgehend pflanzlich. Anekdotisch und wissenschaftlich zugleich! - Viel Spaß beim Lesen!:-)
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Mittwoch, 26. Oktober 2016
Ernährung und Depressionen
Eine liebe Leserin hat mir einen Artikel zukommen lassen, von dem sie dachte, dass er mich interessieren könnt. Recht hatte sie.:-)
Es ist eine Rezension des kürzlich auf Deutsch erschienenen Buchs Die Wahrheit über weibliche Depression: Warum sie nicht im Kopf entsteht und ohne Medikamente heilbar ist der amerikanischen Psychiaterin Kelly Brogan MD. Sie beschäftigt sich hier besonders mit Frauen, weil diese weit häufiger an Depressionen erkranken als Männer und demnach auch öfter Antidepressiva verschrieben bekommen. Diesen soll man, so der Artikel, noch schwerer entkommen können, als Alkohol und Opiaten. Kelly Brogan setzt bei ihrer Therapie von Depressionen auf Lifestyle Maßnahmen wie Ernährungsumstellung, ausreichend Schlaf, Bewegung und Meditation. Als förderlich für die Entstehung von Depressionen sieht sie besonders einen hohen Blutzuckerspiegel, Entzündungen und einer dadurch gestörten Gehirnbiochemie und Störungen in den Hormonachsen. Sie soll in ihrem Buch diesbezüglich Studien aufzeigen und ich habe es mir deshalb dann auch sogleich bestellt.
Allerdings, wenn man sich ihre Website anschaut, fällt gleich das Wort Paleo ins Auge. - Ich weiß wirklich nicht, warum alle Leute, die die Schädlichkeit von Zucker erkannt haben, sogleich in das Paleo- oder LowCarb-Lager abdriften müssen. Laut des Artikels sieht Brogan bezüglich Ernährung die Probleme im Zucker, in den falschen Fetten, beim Gluten und Milchprodukten. Und streng genommen passt das auch zu Paleo. - Aber wieso sollte man Paleo machen wenn man auch zuckerfrei, mit der passenden Menge gesunder Fette ohne Gluten und ohne Milchprodukte leben kann? Die Challenge-Ernährung geht auch so?
Ich hatte erst kürzlich Diskussionen auf YouTube mit Paleo-Anhängern, die unter mein Weizenwampen- Video kommentiert haben. Sie haben angefangen sich nach Dr. Davis zu ernähren, und dann ging es bei ihnen gesundheitlich bergauf. Gefühlt jedenfalls. Ihren Cholesterinspiegel konnten sie mir nicht nennen. - Einen hohen Cholesterinspiegel spürt man aber nicht. Einen hohen Blutdruck auch nicht. Und deshalb ist in 15-50% der Fälle, je nach Literatur, der plötzliche Herztod das erste Anzeichen überhaupt, dass man eine Herz-Kreislauf-Erkrankung hat.
Eine Kommentatorin schilderte, ihre Autoimmunerkrankung sei viel besser, seit sie nach Dr. Davis lebe und ja, Gluten kann ein Problem bei Autoimmunerkrankungen sein, aber man muss das Gluten dann doch nicht mit tierischen Fetten ersetzen und in einen Herzinfarkt rennen!
In Ernährungsdingen gibt es kein schwarz-weiß, da gibt es alle möglichen Schattierungen von allem. Das Wort "gesund" sagt überhaupt nichts aus, weshalb ich schwer der Meinung bin, dass ein Arzt seinen Patienten nicht nur fragen sollte ob er sich gesund ernährt sondern wie genau diese "gesunde Ernährung" denn aussieht. Es gibt Menschen, die glauben LowCarb ist gesund. Dann stehen sie mit einem Cholesterinspiegel von 280 mg/dl beim Arzt, der Arzt fragt, wie der Patient sich ernährt und dieser sagt: "Ziemlich gesund". LowCarb ist aber nicht gesund. Paleo ist da schon besser, aber eben nicht das beste was man machen kann. Wenigsten sparen sie sich die Milchprodukte und essen viele unverarbeitete Nahrungsmittel. Und ich glaube nicht, dass man mit Paleo einen Cholesterinspiegel von unter 150 mg/dl bekommen kann, selbst wenn Paleo Erfinder Loren Cordain genau wie Esselstyn und Ornish, diesen als optimal anerkennt. Das wissen seine Anhänger aber gar nicht, weil das nicht in seinem Buch steht, sondern in einer Studie, an der er mitgewirkt hat. Wer mit Paleo optimale Cholesterinwerte hat, hat medizinisch meinen Segen, obwohl er natürlich dennoch über seine Carnismus-Mentalität nachdenken sollte sowie über seinen Beitrag zum Klimawandel.
Und dann war gestern Vorlesung Psychiatrie zum Thema Depressionen und es war ein Patient zugegen, der von seiner Depression erzählte. Diese wurde ausgelöst durch den Tod seines Lebensgefährten an einer Hirnblutung. Er fing daraufhin an viel Alkohol zu trinken, vernachlässigte sein Leben, bekam einen Herzinfarkt, hielt sich dennoch nicht an die Lebensstil-Empfehlungen bis es endlich Klick machte und er sich an die Psychiatrie wandte. - Für so jemanden sind derartige Empfehlungen, einfach nur die Ernährungsweise zu wechseln natürlich nicht das A und O. Für so jemanden ist Depression natürlich sehr wohl eine Krankheit, bei der wahrscheinlich ohne Antidepressiva überhaupt nichts geht. Jemanden der eh schon keinen Antrieb, keine Freude und keine Motivation mehr hat kann man nur sehr schwer dazu kriegen zu kochen und Sport zu machen. Präventiv sind derartige Ratschläge aber sicherlich sehe nützlich.
Ich nehme auch an, dass sich Dr. Kelly Brogan hier nur mit Personen befasst, die eine leichte bis mittelschwere Depression haben, welche auch Kathleen DesMaisons mit ihrem Programm Potatoes Not Prozac anspricht. Schwere Depressionen mit Selbstmordgedanken sind ein ganz anderes Thema.
Und last but not least heißt es in dem Artikel: "Frühere traumatische Erlebnisse (zum Beispiel aus der Kindheit) oder die Rolle des Unterbewusstseins, sind nicht Gegenstand ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen." - Ich glaube nicht, dass man das komplett außen vor lassen kann oder sollte, denn Depressive haben auch, eine ganz bestimmte Denkweise, die sie irgendwann man erlernt haben. Vor allem katastrophisieren und generalisieren sie. Ein Buch, das Dr. Lisle mir im True North empfohlen hat ist Feeling Good: Depressionen überwinden, Selbstachtung gewinnen: Sich wieder wohlfühlen was sich ausschließlich damit beschäftigt, wie man genau diese Gedanken verändernt. Auch der Autor, Dr. David Burns, ist Psychiater.
Also, man kann bestimmt ne Menge mit Ernährung machen (allerdings besser nicht mit Paleo) mit ausreichend Schlaf und Ruhe und Sport, aber auch mit Achtsamkeit in Bezug auf seine Gedanken und Gefühle. Aber ob man den traumatischen Verlust eines Angehörigen damit überwinden kann? Oder sonstige Traumata?
Ich denke, in Anbetracht dessen, dass wir einen viel zu hohen Bedarf an Psychiatern und Psychotherapeuten haben und die Patienten ewig warten müssen, bis sie einen Therapieplatz bekommen, sollten die Menschen, die nicht wirklich essentiellen Bedarf an einem Therapeuten haben, vorerst versuchen mit Hilfe von derartigen Selbsthilfebüchern zurecht zu kommen. Ich hab in der Hausarztpraxis genug Leute gesehen, die wirklich dringend einen Platz brauchen und kenne persönlich zu viele Leute, die eigentlich auch alleine zurecht kommen sollten. Im übrigen sind Depressionen tatsächlich auch regelrecht eine Zivilisationkrankheit, vielleicht von Ernährung verursacht, vielleicht aber auch einfach nur, weil es uns zu gut geht. Der Teufelskreis der Lust lässt auch hier grüßen.
Menü des Tages am 25. Oktober 2016
Blumenkohl mit Tomate
Haferflocken mit Chia, Banane, Carob, Zimt, Weintrauben
Nudelpfanne mit Lauch, Pilzen, Chinakohl und schwarzen Bohnen
1 Banane
2 Kölsch
Äh, ja, ich habe nur 2 Mal gegessen. Essen war nichts so wichtig. Bei mir hat sich ganz schön was geändert durch meinen konsequenten Zuckerverzicht, durch die stressige Famulatur und tatsächlich auch dadurch, dass jetzt endlich mal interessante Vorlesungen in der Uni statt finden.:-) (Leider vergesse ich dadurch dann auch mein Essen zu fotografieren,...) - Da ist plötzlich ein Stimulus, der mir bisher im Leben gefehlt hat. Auch das ein wichtiger Faktor für Depressionen und Süchte: Wenn man sich den lieben langen Tag mit was beschäftigen muss, was einen von Natur aus eigentlich nicht sonderlich interessiert. Ein Depressiver sollte sich nicht nur mit seinen Gedanken und seiner Lebensweise auseinander setzen sondern auch damit, ob sein Job ihm Freude macht. - Das Medizinstudium ist so umfangreich, dass für jeden was dabei ist. Leider geht damit auch die Gefahr einher, dass manche Dinge nichts für einen sind...
Dankbarer Weise habe ich dann gestern auch endlich das OK für eine Doktorarbeit bekommen, die sich Gott sei Dank auch mit meinen Themen auseinander setzt. - 1,5 Jahre habe ich jetzt gebracht um was zu finden, weil ich unbedingt was zum Thema Sucht machen wollte und das war jetzt reiner Zufall. Das Thema ist Alkohol und Drogenmissbrauch bei minderjährigen Flüchtlingen aufgrund von posttraumatischem Stress zur Selbstmedikation in Anhängigkeit von der Religion. Das ist fast schon geisteswissenschaftlich, was mir liegt, es ist gesellschaftlich relevant, es bedarf keiner Tierversuche und es beschäftigt sich mit Sucht. Was lange währt wird hoffentlich endlich gut. - Das einzige was schwerer ist als eine Doktorarbeit zu bekommen, ist eine Filmrolle zu bekommen...außer dass es manchen Leuten, die sich nicht bemühen, einfach so zu fliegt...
Alles Liebe,
Silke
Hi Silke, kennst Du dieses Buch? Die Mood Cure von Julia Ross? Es ist von einer Ernährungspsychologin mit eigener Klinik geschrieben worden. Ein Teil des Buches beschäftigt sich mit Ernährung(sumstellung)-leider nicht vegan. Ansonsten geht es viel um Suppstitution von Aminosäuren. Ich finde es spannend.
AntwortenLöschenHi Silke!
AntwortenLöschenOh wie cool, dass du darüber berichtet hast, vielen Dank!! :)
"Frühere traumatische Erlebnisse (zum Beispiel aus der Kindheit) oder die Rolle des Unterbewusstseins, sind nicht Gegenstand ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen." - Ich glaube nicht, dass man das komplett außen vor lassen kann oder sollte, denn Depressive haben auch, eine ganz bestimmte Denkweise, die sie irgendwann man erlernt haben. Vor allem katastrophisieren und generalisieren sie.
Also ich zähle mich selbst unter die Gruppe der Ex- leicht- bis mittelschwer Depressiven (habe auch länger Anti-Depressiva genommen, Therapie gemacht), und habe in den letzten 10 Jahren wirklich mein ganzes Leben umgekrempelt und sehr sehr viel an meinen Gedanken und meiner Selbstachtung gearbeitet (Selbsthilfebücher, Robert Betz & Co.),mit Meditation und mittlerweile Yoga, mir weniger gefallen lassen, weniger JA sagen, weniger Ansprüche und Erwartungen haben und und und, sodass es mir einfach immer besser und besser ging und die wirklich schlimmen Phasen immer seltener und leichter wurden.
Ich merke aber im Alltag, dass es mir schnell schlechter geht, wenn ich nicht auf meine Ernährung achte (nur was kam zuerst?), fettig, Fast-Food, Süßigkeiten esse, mehr Kaffee trinke, mehr Alkohol, weniger (gut) schlafe... und ich es mit wenigen Tagen guter Ernährung, Ruhe, positiven Gedanken und Sport schon wieder stark zum Besseren beeinflussen kann.
Aber genau, da gibt es sicherlich auch andere Fälle, in denen diese langfristige Arbeit nicht hilft oder zu spät kommen würde... Und in Zeiten akuter Depressionen kriegt man ja wirklich gar nix gebacken, weder Einkaufen noch Abwasch, wird ggf. von Angstgefühlen und Panikattacken geschüttelt und hat nun wirklich wirklich 0 Ressourcen übrig für irgendwelche positiven Gedanken oder Aktionen...
Liebe Grüße,
Stefanie